Pflegestärkungsgesetz I
Welche Leistungsbeträge der Pflegeversicherung werden erhöht?
Alle Leistungsbeträge der Pflegeversicherung werden um 4 Prozent angehoben, um die Preisentwicklung über den gesetzlich vorgegebenen Zeitraum der letzten drei Jahre zu berücksichtigen. Für Leistungen, die erst mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz Ende 2012/Anfang 2013 eingeführt worden sind, wird für einen Zeitraum von zwei Jahren eine Anpassung um 2,67 Prozent vorgenommen. Darüber hinaus werden weitere Leistungsverbesserungen bei der Pflege zu Hause und in Pflegeeinrichtungen umgesetzt.
Was verbessert sich für die Pflege zu Hause?
Die meisten Pflegebedürftigen wünschen sich, so lange wie möglich zu Hause in der vertrauten Umgebung gepflegt zu werden. Mehr als zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden auch zu Hause gepflegt, meist durch Angehörige oder ambulante Pflegedienste. Um die Pflege zu Hause besser zu unterstützen, werden die Leistungen für die häusliche Pflege um rund 1,4 Milliarden Euro erhöht.
- Die Leistungen der
Verhinderungs- und Kurzzeitpflege können in Zukunft besser miteinander
kombiniert werden.
Wer eine Kurzzeitpflege in Anspruch nimmt, z.B. wenn der Pflegeaufwand nach einem Krankenhausaufenthalt so hoch ist, dass für ein paar Wochen die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung nötig wird, kann schon heute seinen Anspruch auf Verhinderungspflege hierfür verwenden. Statt vier Wochen sind bis zu acht Wochen Kurzzeitpflege pro Jahr möglich, die Pflegekasse übernimmt dafür künftig bis zu 3.224 Euro (bisher bis zu 3.100 Euro). Künftig gilt dies in ähnlicher Weise auch bei der Verhinderungspflege: Wenn der pflegende Angehörige krank ist oder eine Auszeit braucht, wird eine Pflegekraft oder Vertretung benötigt. Diese so genannte Verhinderungspflege soll künftig unter entsprechender Anrechnung auf den Anspruch auf Kurzzeitpflege bis zu sechs Wochen in Anspruch genommen werden können statt bisher bis zu vier. Bisher standen für Verhinderungspflege pro Jahr bis zu 1.550 Euro, künftig stehen bis zu 2.418 Euro jährlich zur Verfügung. So können pflegende Angehörige besser die Unterstützung wählen, die in ihrer konkreten Situation am besten hilft.
- Die Leistungen für Tages- und
Nachtpflege (teilstationäre Pflege) werden ausgebaut.
Bisher wurden die Inanspruchnahme von Tages-/Nachtpflege und die ambulanten Pflegeleistungen (Pflegegeld und/oder ambulante Sachleistungen) zum Teil aufeinander angerechnet. Das ändert sich: Wer ambulante Sachleistungen und/oder Pflegegeld bekommt, kann künftig Tages- und Nachtpflege daneben ohne Anrechnung voll in Anspruch nehmen. Damit steht deutlich mehr Geld für Betreuung zur Verfügung. Beispiel: Bisher gab es für die Kombination von Tagespflege und ambulanten Pflegesachleistungen in Pflegestufe III bis zu 2.325 Euro. Künftig stehen hierfür bis zu 3.224 Euro monatlich zur Verfügung. Auch Demenzkranke profitieren erstmals von dieser Leistung.
- Niedrigschwellige Betreuungs-
und Entlastungsangebote werden gestärkt.
Die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen werden ausgebaut und auf alle Pflegebedürftigen ausgedehnt. Demenzkranke bekommen schon heute bis zu 100 oder 200 Euro/Monat (ab 1.1.2015: bis zu 104 oder 208 Euro/Monat). Künftig werden auch bei rein körperlicher Beeinträchtigung 104 Euro pro Monat von der Pflegekasse erstattet. Damit können Leistungen von Kurzzeitpflege, Tages- und Nachtpflege und Betreuungsleistungen durch ambulante Pflegedienste oder nach Landesrecht anerkannte niedrigschwellige Angebote finanziert werden. Es können aber auch anerkannte Haushalts- und Serviceangebote oder Alltagsbegleiter finanziert werden, die bei der hauswirtschaftlichen Versorgung und der Bewältigung sonstiger Alltagsanforderungen im Haushalt helfen. Das können auch Pflegebegleiter der Angehörigen sein, die bei der Organisation und Bewältigung des Pflegealltags helfen. Und auch die Aufwandsentschädigung für einen, nach Landesrecht anerkannten ehrenamtlichen Helfer, kann damit bezahlt werden, der zum Beispiel beim Gang auf den Friedhof begleitet oder beim Behördengang unterstützt. Niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote können künftig auch anstelle eines Teils der Pflegesachleistung in Anspruch genommen werden (neue "Umwidmungsmöglichkeit" in Höhe von bis zu 40 Prozent des jeweiligen ambulanten Pflegesachleistungsbetrags).
- Die Zuschüsse für
Umbaumaßnahmen und Pflegehilfsmittel werden erhöht.
Oft sind es Umbaumaßnahmen wie Rollstuhlrampen, begehbare Duschen oder die Verbreiterung von Türen, die es Pflegebedürftigen ermöglichen, im eigenen Zuhause oder in einer Pflegewohngemeinschaft zu bleiben. Daher werden ab dem 1. Januar 2015 die Zuschüsse hierfür deutlich gesteigert: Von bisher bis zu 2.557 Euro auf zukünftig bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme. Leben mehrere Pflegebedürftige gemeinsam in einer Wohnung, können sie statt bis zu 10.228 Euro jetzt bis zu 16.000 Euro pro Maßnahme erhalten. Auch die Zuschüsse zu Pflegehilfsmitteln, die im Alltag verbraucht werden, werden deutlich angehoben (von bis zu 31 Euro auf bis zu 40 Euro je Monat).
Was wird zur Unterstützung der pflegenden Angehörigen getan?
Jede Pflegesituation ist anders. Die pflegenden Angehörige sollen deshalb besser in ihrer konkreten Situation entlastet werden. Die Unterstützungsangebote werden ausgeweitet, und die Leistungen können passgenauer in der konkreten Situation eingesetzt werden. Damit steht auch mehr Geld für Betreuung zur Verfügung. Unterstützungsleistungen wie die Kurzzeit-, Verhinderungs- und Tages- und Nachtpflege, sollen ausgebaut und besser miteinander kombiniert werden können. Zudem können mehr zusätzliche niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote in Anspruch genommen werden und die Zuschüsse für nötige Umbaumaßnahmen und zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel steigen deutlich. Auch die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf soll verbessert werden. Wer kurzfristig die Pflege eines Angehörigen organisieren muss, etwa nach einem Schlaganfall, kann künftig eine Lohnersatzleistung für eine bis zu zehntägige Auszeit vom Beruf erhalten, vergleichbar dem Kinderkrankengeld. Durch das erste Pflegestärkungsgesetz werden zur Finanzierung dieser Leistung 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Lohnersatzleistung soll in einem separaten Gesetz geregelt werden, das ebenfalls am 1.1.2015 in Kraft treten soll.
Was verbessert sich in den stationären Pflegeeinrichtungen?
Mehr
zusätzliche Betreuungskräfte in voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen.
In stationären Pflegeeinrichtungen werden die Leistungen im Umfang von rund 1
Milliarde Euro verbessert. Damit wird die Voraussetzung dafür geschaffen, dass
die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte von bisher rund 25.000 auf bis zu
45.000 Betreuungskräften erhöht werden kann. Die ergänzenden Betreuungsangebote
durch zusätzliche Betreuungskräfte sollen künftig allen Pflegebedürftigen offen
stehen, bisher waren sie Pflegebedürftigen mit erheblichem allgemeinen
Betreuungsbedarf (z.B. Demenzkranke) vorbehalten. Das verbessert den
Pflegealltag in den voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen. Zudem
profitieren die Pflegebedürftigen in Pflegeeinrichtungen natürlich auch von der
Erhöhung der Leistungsbeträge aus der Pflegeversicherung.
Wie werden neue Wohnformen unterstützt?
Neue
Wohnformen werden besser unterstützt.
Der Wohngruppenzuschlag, den Pflegebedürftige aus der Pflegeversicherung
erhalten, wenn sie eine Pflegekraft in einer ambulant betreuten Wohngruppe mit
mindestens drei Pflegebedürftigen beschäftigen, wird künftig auf 205 Euro pro
Monat erhöht. Außerdem gibt es eine Anschubfinanzierung (bis zu 2.500 Euro je
Pflegebedürftigen, maximal 10.000 Euro insgesamt je Wohngruppe) für die
Gründung einer ambulant betreuten Pflege-Wohngruppe, die künftig einfacher in
Anspruch genommen werden kann. Diese Leistungen stehen künftig auch Personen in
der so genannten Pflegestufe 0 (insbesondere Demenzkranke) zur Verfügung. Auch
der Zuschuss für Umbaumaßnahmen wird deutlich aufgestockt, Wohngruppen können
künftig bis zu 16.000 Euro erhalten. Das hilft auch den neuen Wohnformen.
Was verbessert sich für Demenzkranke?
Der Leistungsanspruch
von demenziell Erkrankten wird deutlich erweitert.
Bislang hatten Menschen, die zwar in ihrer Alltagskompetenz erheblich
eingeschränkt sind, deren Pflegebedarf aber unterhalb der Pflegestufe I liegt
(sogenannte Pflegestufe 0), nur einen eingeschränkten Leistungsanspruch. Dieser
wird jetzt maßgeblich erweitert: Künftig können diese Versicherten auch
Leistungen der Tages- und Nachtpflege, der Kurzzeitpflege und den Zuschlag für
Mitglieder ambulant betreuter Wohngruppen erhalten. Zudem wird ihnen ermöglicht,
die Anschubfinanzierung für ambulant betreute Wohngruppen zu bekommen. Damit
erhalten sie jetzt Zugang zu allen Leistungen im ambulanten Bereich, die auch
Personen mit einer Pflegestufe zustehen. Das vereinfacht auch die Einführung
des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs.
Was verbessert sich für körperlich beeinträchtigte Pflegebedürftige (z. B. nach einem Schlaganfall)?
Vorwiegend
körperlich beeinträchtigte Pflegebedürftige erhalten einen Anspruch auf
zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen.
Bislang hatten nur Menschen mit einer auf Dauer erheblich eingeschränkten
Alltagskompetenz (also insbesondere an Demenz Erkrankte) einen Anspruch auf
zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI. Auch das
wird sich jetzt grundlegend ändern: Pflegebedürftige, die stärker körperlich
eingeschränkt sind – z. B. nach einem Schlaganfall – erhalten jetzt ebenfalls
einen Anspruch auf entsprechende Leistungen. Damit bekommen die Betroffenen nun
auch erstmals einen Anspruch auf niedrigschwellige Hilfen, d.h. sie können sich
vor Ort ein Angebot suchen, das nach Landesrecht anerkannt ist, und bekommen
die Kosten bis zur Höhe von 104 Euro monatlich bzw. 1.248 Euro pro Jahr
erstattet. Zudem steht ihnen künftig ebenfalls die – oben bereits angeführte –
Möglichkeit zu, zusätzlich maximal 40 % des Anspruchs auf ambulante
Sachleistungen für solche niedrigschwelligen Angebote zu verwenden.
Wozu dient der Pflegevorsorgefonds?
Mit dem
Pflegevorsorgefonds sollen mögliche Beitragssteigerungen in der Zukunft
abgefedert werden.
Pflege stärken heißt auch, Pflege nachhaltig zu sichern. Um die
Beitragsbelastung künftiger Generationen und der jetzt jüngeren Menschen in den
Jahren zu begrenzen, in denen die geburtenstarken Jahrgänge ins „Pflegealter“
kommen, wird ein Pflegevorsorgefonds in Form eines Sondervermögens gebildet,
der von der Bundesbank verwaltet wird. In diesen Fonds werden ab 2015 jährlich
die Einnahmen aus 0,1 Beitragssatzpunkten (derzeit rd. 1,2 Mrd. Euro)
eingezahlt. Ab dem Jahr 2035 kann dann jährlich über einen Zeitraum von
mindestens 20 Jahren jeweils bis zu einem Zwanzigstel des angesammelten
Kapitals an den Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung abgeführt werden, um so
übermäßige Beitragssatzsteigerungen abzufedern.
Wie werden die Leistungsverbesserungen finanziert?
2015 wird der Beitragssatz in einem ersten Schritt um 0,3 Prozentpunkte auf 2,35 Prozent und 2,6 Prozent für Kinderlose steigen. Die vorgesehenen Leistungsverbesserungen werden mit den Einnahmen aus 0,2 Prozentpunkten (2,4 Milliarden Euro jährlich) finanziert. Davon fließen 1,4 Milliarden Euro in Verbesserungen für die Pflege zu Hause. 1 Milliarde Euro stehen für Verbesserungen in Pflegeheimen zur Verfügung. 1,2 Milliarden Euro pro Jahr fließen in einen Pflegevorsorgefonds. Dadurch sollen mögliche Beitragssteigerungen abgefedert werden, wenn ab 2034 die geburtenstarken Jahrgänge ins Pflegealter kommen.
Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz werden die Beiträge zur Pflegeversicherung nochmals um 0,2 Prozentpunkte angehoben. Durch diese beiden Beitragssatzerhöhungen stehen insgesamt fast fünf Milliarden Euro mehr für Verbesserungen der Pflegeleistungen zur Verfügung. Die Leistungen der Pflegeversicherung können dadurch um etwa 20 Prozent ausgeweitet werden.